Vom Umgang mit dem neuen Medium Internet

ONLINE-Gesellschaft ante portas. Einige hundertausend Österreicher sind bereits Internet-Surfer (Nielsen new media). Wie verkraften wir den Wandel?

Der Schritt in das Informationszeitalter bewirkt unter anderem Internationalisierung und zunehmende Mobilität für die Produktionsfaktoren Information (Know how), Arbeit und Kapital; mehr Kommunikationsmöglichkeiten, nämlich auch unabhängig von Zeit und Raum; ein Aufweichen von starren, hierarchischen Strukturen in allen Bereichen der Gesellschaft und Ersatz bzw. Durchmischung dieser mit netzartigen Strukturen, die einer höheren Dynamik unterliegen (das einzig Stabile is die Veränderung); Dezentralisierung/Individualisierung und Abbau von Gruppenidentität;... Träger dieser Entwicklung ist die elektronische Datenverarbeitung, nämlich die Bereiche Multimedia und Vernetzung/Telekommunikation. Da die Innovationszyklen in der EDV traditionell sehr kurz sind und kürzer zu werden scheinen verkürzen sich auch die Reaktionszeiten der Gesetzgebung auf eine technologiegetriebene Weiterentwicklung unserer Kultur, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Von Vorwärtsstrategie keine Rede.

Eine Ausprägung der neuen Technik ist das Internet, das einen unbewältigbaren Fundus an Information sowie neuartig Komunikationsmöglichkeiten bietet. Können wir damit umgehen? Nein! Das Netz der Netze hat eine Eigendynamik, eine eigene Kultur entwickelt, ist nicht steuerbar, schon gar nicht kontrollierbar. Die sich herausgebildete Netikette (Verhaltensregeln im Netz) umfasst einen Mindeststandard an Umgangsformen. Die Legislative und Exekutive ist schlicht überfordert. Einer der Gründe liegt in unterschiedlichen Wertvorstellungen elektronisch zusammengerückter Kulturkreise. Während Menschenrechtsfragen zum Beispiel im Westen begeistert diskutiert werden versteht China dieses Thema als Einmischung in innere Angelegenheiten. Ein weiterer Grund ist geringer Konsens der Staatengemeinschaft aus Konkurrenzgründen. Ähnlich wie Steueroasen um Kapital buhlen geben exotische Inseln (nicht nur territoriale, auch virtuelle) gegen Cash Anbietern brisanter Informationen eine elektronische Heimat.

Der Ausschluss ganzer Staaten vom Internet - wie von Al Gore einmal angedacht - ist kein probates Mittel. Sind einmal genügend Staaten ausgeschlossen, entstünde ein eigenes Netz. Kulturelle Gegensätze würden weiter verstärkt; die Welt, eben erst die Ost-West-Konfrontation überwunden, würde in (weitere) Machtblöcke zerfallen. Als nächster Grund der Unkontrollierbarkeit des Worldwide Web (WWW) ist in der technischen Entwicklung zu sehen. Überwachungsmechanismen wie etwa das Scannen jeder e-mail-Botschaft nach bestimmten Schlüsselwörtern wird mit immer raffinierteren Verschlüsselungsmechanismen begegenet. Auch eine Filterung von Zugriffen ist auf Grund der Flüchtigkeit wenig sinnvoll, da die Internetseiten mit verbotenen Inhalten immer wieder verlegt werden. Das bedeutet, diese Seiten erhalten periodisch neue Adressen (URL).

Die Lösung des Problems sehe ich erstens auf technischer Ebene. Beispiel: Einbau einer Filtermöglichkeit in der Internet-Zugangs-Software und Führung eines Zielgruppenorientiert abgestuften Index von Adressen mit unbedenklichem Inhalt. So hätten z.B. Eltern eine Chance, ihre Kinder vor irrtümlich widerfahrenem Pornografie- Bombardment zu schützen. Eine zweite Lösung muss legislativ erfolgen, nämlich die Erweiterung des bestehenden Rechtssystems durch Umsetzung der Jurisdiktion auf die virtuelle Welt. Dazu gehört möglicherweise das Recht der Polizei auf Nachforschungen bei Internet-Anbietern (Herausgabe von Name/Adresse eines Verdächtigen) analog zu Bankgeheimnis und Briefgeheimnis. Die willkürliche Sperre einer Fahrspur des Datenhighway bringt nichts! Als drittes ist der Wandel der Einstellung des Menschen der neuen Technik gegenüber zu erwähnen. Ist erst einmal das Netzdenken Teil unserer Kultur, wird das Netz zum Werkzeug für Kommunikation und Informationsbeschaffung reduziert. Illegale Aktivitäten bleiben auf Randgruppen beschränkt. Wir sind zum Umdenken aufgerufen, Pädagogen zuallererst.

Können wir mit dem Internet umgehen? Nein! Aber wir werden es lernen.

'Es steht uns bevor die Zeit des Erkennens und der Grausamkeit. Nach ihr kommt die Zeit des Begreifens und der Liebe' - Rathenau (1908)

'Mir werdens erlebn, aufhaltn wern mas net!' - Heinzl, a Hawara (1997)

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